Verwirrung darüber, wie viele verschiedene Richtungen des Islam es gibt, warum sich Menschen derselben Glaubensrichtung vehement bekämpfen und letztlich darüber, was, warum und wie in den Medien berichtet wird – es war eine Diskussion über Unwissenheit und Vorbehalte verbunden mit einem Plädoyer für mehr Vielfalt und einen genaueren Blick. Zwei Tage nahmen Journalisten und Wissenschaftler in Erlangen die Problematik der Islamberichterstattung in den Medien in den Blick.

Medien tragen zum gesellschaftlichen Diskurs über den Islam bei. Oft ist das gezeichnete Bild eines, das einseitig ist und verzerrt. „Wenn wir über den Islam sprechen, müssen wir uns auf eine andere Ebene begeben“, sagt Maha El Kaisy-Friemuth, Professorin für Islamisch-Religiöse Studien an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU). „Medien sollen eigentlich zu einer differenzierten Meinung verhelfen, verfestigen aber mit Blick auf den Islam leider allzu oft bereits bestehende Vorurteile.“ Für nötig erachtet die Wissenschaftlerin deshalb fundierte Kenntnisse über Geschichte, Kultur und Ästhetik des Islam, um ihn in all seinen Facetten jenseits von Schubladendenken erklären zu können.

Eine Überzeugung, die auch Heiner Bielefeldt, Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der FAU und UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, teilt. „Die Medien sollen selbstverständlich keine Probleme beschönigen, aber bei deren Beschreibung sollen sie mit größter Genauigkeit und Präzision vorgehen.“ Zugleich betonte er, dass ihn aber auch der pauschale Vorwurf, die Medien würden per se mittels reißerischer Aufmacher mit Klischees spielen und so Islamophobie schüren, störe. Verallgemeinerungen seien schließlich niemals gut.

Genauso wenig, wie die in der stets präsenten medialen Forderung an die Muslime enthaltene, sich doch bitte bei jeder Gelegenheit von jedweder Gewalt zu distanzieren. Muss sich jeder Sachse von Pegida distanzieren, nur weil er ein Sachse ist? Wurde von Christen stets erwartet, sich von Terror im Namen des Christentums zu distanzieren, als der rechtsextreme Anders Behring Breivik bei einem Terroranschlag in Oslo und einem anschließenden Massaker in Utøya 77 Menschen tötete? – dies fragten auf humoristische Weise bereits die Kabarettisten in der ZDF-Politsatire „Die Anstalt“.

Es brauche Journalisten, die „mit offenen Ohren und Augen positive Botschaften auf dem Boden des Realismus verbreiten, Verständnis für den Islam haben und diesen vor diesem Hintergrund auch kritisch hinterfragen“, so Heiner Bielefeldt.

Für Canan Topçu, die als Journalistin mit muslimischem Hintergrund unter anderem für die ZEIT schreibt, liegt genau darin eines der Probleme. „Wir werden nun mal nicht mit offenen Augen geboren, wir lernen nur durch Erfahrung. Diese fehlt vielen Journalisten im Umgang mit dem Thema Islam, weil sie nie zuvor in ihrem Leben damit in Berührung gekommen sind.“

In keinem Fall möchte sie deshalb unterstellen, dass in Redaktionen böswillig gegen den Islam geschrieben werde, es fehle letztlich meist am nötigen Wissen. Ein weiteres Hindernis sieht die Journalistin in den vorgegebenen Strukturen, die in vielen Fällen nicht mehr als eine Vereinfachung zuließen. In zwei Minuten oder wenigen Zeilen lasse sich nun mal keine Geschichte in all ihren Facetten abbilden.

Und dann ist da immer noch die Tatsache, dass gut gemeint nicht immer auch gut gemacht ist. Über Aishe, die ihr Abitur mit 1,0 bestanden hat, wird medial berichtet, über Markus, der dasselbe vollbracht hat, dagegen nicht. Bei ihm: nichts Besonderes. Bei ihr setzt man diese Leistung gleich mit der Tatsache, dass man jemandem mit Migrationshintergrund eine solche Leistung niemals zugetraut habe.

„Oft verstärken Massenmedien mit ihrer Berichterstattung zudem unbewusst die Absichten von Propagandisten“, sagt Extremismus-Experte Moussa Al-Hassan Diaw. Manche von ihnen seien erst durch eine Thematisierung in den Medien in den eigenen Kreisen überhaupt eine relevante Größe geworden, wie der heutige Al-Kaida-Chef Aiman az-Zawahiri. Die Macht der Bilder haben islamische Terroristen längst nicht nur erkannt, sondern perfektioniert: geringer Aufwand, große Wirkung und Reichweite.

Auch die Muslime selbst sieht Canan Topçu in der Verantwortung. „Sie dürfen sich nicht ständig darüber ärgern, in ihren Augen schlecht dargestellt zu werden, sondern müssen selbst über ihre Sicht der Dinge aufklären.“ Außerdem müsse man es auch aushalten können, wenn Dinge berichtet werden, mit denen man selbst nicht einverstanden ist. „Das ist Meinungsfreiheit.“

Dennoch sieht sie bereits positive Signale hinsichtlich einer sich verändernden Berichterstattung. Es gibt sie bereits, die Muslima, die in einem Beitrag in den Fernsehnachrichten über die Grippeimpfung nicht ob ihres Kopftuches zur Protagonistin geworden ist, sondern, weil sie sich über deren mögliche Folgen für ihr Kind Sorgen macht. „Wenn Menschen nicht immer nur als Migranten Teil der Berichterstattung sind, führt das dazu, dass auch die Zuschauer ein anderes Bild bekommen.“

Dafür, dass dieser Wandel weiter möglichst rasch voranschreitet, hat die die Abteilung Christliche Publizistik der FAU ihren Masterstudiengang „Medien-Ethik-Religion“ nun eigens um den Schwerpunkt „Islam“ durch das Department Islamisch-Religiöse Studien erweitert. Auf diese Weise entsteht ein Masterstudiengang, der im deutschsprachigen Raum bislang einzigartig ist und insbesondere Studierende mit muslimischem Hintergrund für einen Medienberuf qualifizieren soll.

Für Abdul-Ahmad Rashid, der als Redakteur und Moderator für das ZDF das „Forum am Freitag“ betreut, ein wichtiger Schritt, erlebt er im Arbeitsalltag doch immer wieder, dass es hierzulande nach wie vor zu wenige Journalisten mit entsprechender Migrationsbiografie in den Redaktionen gibt. „Muslim sein ist eine Zusatzqualifikation, die Türen öffnet und viele Dinge besser einordnen lässt und zu einer veränderten Wahrnehmung des Islam in der Gesellschaft führt“, ist er überzeugt.

Genauer hinsehen, differenzieren, Vorurteile abbauen und diese nicht noch weiter in den Köpfen zementieren, etwa dahingehend, dass eine muslimische Frau mit Kopftuch nicht gleichbedeutend damit ist, dass der Islam per se intolerant gegenüber Frauen ist – gerade die Medien sind dabei gefragt. Einen ersten Schritt hat die Tagung gemacht.